Was macht Unternehmen zu sinnstiftenden Marken?
CSR, Bio-Brands oder Fair-Trade-Produkte stehen hoch im Kurs, weil Konsumenten heutzutage auf Glaubwürdigkeit setzen und bereit sind, durch Käufe Verantwortung zu übernehmen. Was bedeutet das für Unternehmen und ihre Markenführung konkret? Wie können Produkte für Konsumenten und Unternehmen für potenzielle Arbeitnehmer Sinn stiften?
Die Suche nach Sinn ist ein zentrales Zeitgeistphänomen der modernen westlichen Welt. Ursache hierfür ist unter anderem der geringer gewordene Einfluss der christlichen Institutionen in der Gesellschaft, aber auch der großen politischen Ideologien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Menschen suchen nach Sinn in ihrer konkreten Tätigkeit, aber auch im Rahmen ihres Konsums. Das bestätigt auch der vermehrte Kauf von Produkten, die biologisch erzeugt und fair gehandelt werden. Der eigene Konsum wird so als Beitrag eines sinnstiftenden Prozesses gesehen.
Um als Unternehmen für Mitarbeiter und Kunden als sinnstiftend wahrgenommen zu werden, reicht es nicht, in uneigennützige Projekte zu investieren und CSR-Strategien zu erarbeiten. Erst recht nicht, wenn diese gar nicht zum Unternehmen passen. Solche Maßnahmen können natürlich kurzfristige Imageverbesserungen bringen. Nachhaltig ist allerdings nur, wenn das, womit ein Unternehmen letztendlich seinen Umsatz erwirtschaftet, einem Anspruch folgt, der fernab monetärer Motivationen liegt. Das heißt, sinnstiftend ist ein Unternehmen, wenn seine Kernleistung in gewisser Hinsicht Sinn stiftet. Und wenn Handeln und Kommunizieren auch zusammen passen. Was aber heißt es eigentlich, wenn eine Leistung sinnstiftend ist? Was unterscheidet ein sinnstiftendes Unternehmen von anderen Unternehmen?
Sinnstiftende Marken stehen nicht einfach für ein Unternehmen oder ein Produkt. Sie stehen für eine Überzeugung, für gelebte Werte und beziehen Position. Über die reine Befriedigung von Kundenbedürfnissen geht es sinnstiftenden Unternehmen auch darum, individuelle Sinnbedürfnisse und ethische Ansprüche zu erfüllen. Im Grunde ist das nicht neu. Den Begriff des ehrbaren Kaufmanns etwa gibt es bereits seit dem Mittelalter. Heute stellen sich jedoch viele Fragen der sozialen Verantwortung von Unternehmen neu. Werteorientiertes Handeln kann nicht mehr nur durch nach außen kommunizierte CSR-Maßnahmen erfolgen, während innerhalb des Unternehmens beispielsweise Mängel im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Unternehmenskultur vorherrschen. Gelebte Werte sind die Richtschnur des unternehmerischen Handelns und eine positive Unternehmenskultur ist ein Must-have.
Sinnstiftende Unternehmen folgen dem Stakeholder-Ansatz
Der Stakeholder-Ansatz geht davon aus, dass Unternehmen soziale Gemeinschaften sind, die direkt und indirekt mit verschiedenen Gesellschaftsgruppen verbunden sind. Das heißt, Unternehmen können nicht losgelöst von der Gesamtgesellschaft betrachtet werden. Sie sind Teil von Netzwerken und ihr Handeln übt Einfluss auf unterschiedliche Gruppen von Menschen aus. Unternehmen, die sich als sinnstiftende Marken positionieren, erkennen das. Zu den Stakeholdern gehören im Gegensatz zum Shareholder Value nicht nur Aktionäre und Kreditgeber, sondern auch Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, der Staat und das Gemeinwesen, also die Gesellschaft, in der ein Unternehmen tätig ist. Unternehmen, die ihren Stakeholdern verpflichtet sind, müssen sich gesellschaftlich legitimieren, womit sich die Frage nach dem Sinn automatisch stellt.
Sinnstiftende Marken beantworten diese Frage erlebbar in ihrer Unternehmenspraxis. Ihr Engagement ist durch den Unternehmenszweck begründet und häufig auch durch kontinuierlich tätige Identifikationspersonen für Stakeholder nachvollziehbar und glaubhaft. Stakeholder orientierte Markenführung impliziert gleichzeitig Nachhaltigkeit, ohne dass darüber großartig gesprochen wird. Eine sinnstiftende Marke ist ohnehin daran interessiert, Bedingungen für das eigene Überleben, organisches Wachstum und somit zum Guten der Gesellschaft auch in Hinblick auf zukünftige Generationen zu schaffen. So etabliert sich der Nachhaltigkeitsansatz im Unternehmen lange bevor Nachhaltigkeitsberichte und CSR-Maßnahmen marketingtechnisch zum Reputationsaufbau und der Imageverbesserung genutzt werden. Selbst wenn ökologische und gesellschaftliche Themen im Unternehmen eine untergeordnete Rolle spielen, ist es solchen Unternehmen ein Anliegen, langfristig Bestand und Erfolg zu haben. Somit hat der Nachhaltigkeitsgedanke definitiv auch eine ökonomische Seite.
In einem Unternehmen heißt Sinnstiftung also eine Antwort auf die Frage zu finden, warum das Unternehmen eigentlich existiert, warum man tut, was man tut und ob dieses Handeln inhaltlich, ökonomisch und ethisch angemessen ist. Die Manifestation dieser Antwort ist gewissermaßen der Markenkern eines sinnstiftenden Unternehmens. Natürlich gibt es in einem Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Mitarbeitern nicht die eine Antwort. Noch weniger, wenn weitere Stakeholder in den Markenprozess einbezogen werden. Es gibt immer nur die Möglichkeit, dem Kern möglichst nahe zu kommen und eine gangbare Lösung zu finden.
Marke hat also unheimlich viel mit Werten und Haltung zu tun
Unsere Haltung zu den Dingen, die wir tun, bestimmt auch, ob wir uns dazu entscheiden, einfach ein Geschäftsmodell zu entwickeln, um damit Geld zu verdienen oder ob wir Sinn darüber hinaus stiften und uns engagieren wollen. So kann im Grunde jeder unternehmerischen Tätigkeit der Wille, positiv auf die Gesellschaft und die Umwelt zu nehmen, zugrunde liegen. Ich kann Schuhe verkaufen, weil ich damit Geld verdiene oder weil ich Menschen die Möglichkeit geben will, nicht barfuß durch Wind und Wetter gehen zu müssen. Das ist alles eine Sache des inneren Anspruchs, der Haltung. Aus dem Blickwinkel heraus betrachtet sind alle Nachhaltigkeitsstrategien und CSR-Maßnahmen falsch herum gedacht. Unternehmen, die ihr Handeln als Mission verstehen, werden leidenschaftlicher geführt und wirtschaften von innen heraus gut und ein Stück weit altruistisch, natürlich jedoch auch mit dem Hintergrund zukunftsfähig und profitabel zu bleiben. Es braucht keine nachträglichen Strategien und Maßnahmen zur Beruhigung des eigenen Gewissens und zur Ruhigstellung der Öffentlichkeit. Denn allzu häufig ist CSR genau das – hart ausgedrückt: der Versuch, sich von den Sünden des sinnentleerten Wirtschaftens rein zu waschen. Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen, die von dem Wunsch, Gutes zu tun, angetrieben werden, finden in ihrer Arbeit viel mehr Erfüllung als diejenigen, die in einer rein profitorientierten Firma tätig sind.
Sinnstiftende Unternehmen befreien Sisyphos vom Leiden der unnützen Arbeit
Sisyphos ist eine Figur der griechischen Mythologie. Weil er den Todesgott Thanatos überlistet und fesselt, um so nach seinem eigenen Tod ins Leben zurück zu kehren, wird er von den Göttern bestraft. Seine Strafe bestand darin, einen gigantischen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen. Kurz vor Erreichen des Gipfels, entglitt ihm jedes Mal der Stein und rollte zurück, so dass er wieder von vorn beginnen musste. Er war so zu ewiger, sinnloser Mühe verdammt.
Die unternehmerische Haltung, Sinn zu stiften, durchbricht den Fluch, der auf der Arbeit liegt, nämlich notwendiges Übel zu sein, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wirtschaften ist nicht Zwang, sondern die Möglichkeit, zu gestalten und die Welt zu verbessern. Veränderung und somit auch Verbesserung fängt immer beim Einzelnen an. Beim einzelnen Menschen und beim einzelnen Unternehmen. So in etwa sagte das wohl auch Sokrates: „Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen.“ Und um sich selbst zu bewegen, muss man sich zwangsläufig klar machen, wozu man das alles tut. „Warum gibt es mein Unternehmen? Was will ich damit bezwecken?“, muss die erste Frage sein, die ich mir als Unternehmer stelle. In der heutigen Wirtschaft scheint dieser Denkansatz ein Stück weit verloren gegangen zu sein.
Wirtschaft ist für viele ein abstrakter Begriff geworden, der wenig vertrauenseinflößend ist. So wenig wie die Frage gestellt wird, warum man eigentlich wirtschaftet, wird darüber nachgedacht, zu wessen Nutzen. Je größer Unternehmen sind, desto weniger werden sie greifbar. Die Menschen, die dahinter stecken, die diese Unternehmen vielleicht mit einer gewissen Portion Idealismus, mit dem Wunsch, etwas zu bewegen, verschwinden im Nebel. Und auch der Anspruch, mit dem ein Unternehmen gegründet wurde, verwässert mit zunehmendem Wachstum. Dabei ist das doch genau das, was sie von Anfang an ausgemacht hat und der Grund, warum Kunden ihre Produkte kaufen. Kunden geht es weniger um Dinge wie Qualität oder in weiten Teil den Preis. Sie kaufen bestimmte Produkte, weil sich ihre Glaubenssätze mit denen des herstellenden Unternehmens decken. Sie finden sich in der Marke wieder. Unternehmen, die sich ihrer Antriebe und ihrer Glaubenssätze bewusst sind und diese nach außen kommunizieren, grenzen sich stärker ab, sind authentischer und bieten Orientierung. Ihnen wird vertraut. Das ist wie bei einem Menschen, der klar zu seiner Meinung und seinen Werten steht. Das kann sympathisch, für manche aber auch unsympathisch sein. In jedem Fall weiß man aber, woran man ist, wenn man es mit dieser Person zu tun hat. Decken sich ihre Werte mit den meinen, baue ich automatisch Vertrauen zu ihm auf.
Identität bestimmt die Marke
Die Grundannahme der identitätsbasierten Markenführung ist, dass die Identität der bestimmende Faktor ist, der eine Marke authentisch macht und für nachhaltige Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sorgt. Das setzt voraus, dass wir zuallererst anfangen, unser Verständnis von Marke zu hinterfragen. Es gibt unzählige Definitionen, die alle etwas anderes behaupten, was Marke nun eigentlich ist. Für die einen ist sie gewerbliches Schutzrecht oder markiertes Produkt, für die anderen ein Zeichenbündel. Doch sind das im Grunde nur Facetten der Marke, die nach außen hin sichtbar werden. Marke beginnt weit vor dem Corporate Design, der Anmeldung des Markennamens oder der Gestaltung des Produkts. All das, wie auch die gesamte Kommunikation macht nicht die Marke aus, sondern wird durch die Marke bestimmt. Was Außenstehende vom Unternehmen wahrnehmen und ob diese Wahrnehmung eher positiv oder negativ ist, bezeichnen wir als Markenimage.
Um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen viele Unternehmen umdenken. Es sind nicht mehr lediglich Aspekte wie Produktqualität, Innovationsstärke, Kompetenz oder Werte wie Tradition und Serviceorientierung, die Kunden und Mitarbeiter für ein Unternehmen begeistern und binden. Insbesondere in wettbewerbsintensiven Märkten oder Branchen mit angeschlagener Reputation suchen Kunden nach einem tieferen Sinn, nach spürbaren Werten. Ebenso wollen Arbeitnehmer den Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen, sich mit dem Unternehmen identifizieren. Die logisch erscheinende Konsequenz als Reaktion auf diesen äußeren Druck ist, dass Unternehmen sich plötzlich mit sozialen und ökologischen Themen auseinandersetzen, vermehrt auf nachhaltige Produktqualität achten und CSR-Strategien entwickeln. Man muss der Gesellschaft ja schließlich etwas zurückgeben. Kein falscher Gedanke. Aber wie weit ist es ethisch richtig, aus Gründen der Marktreputation Maßnahmen zu forcieren, ohne im Kern wirklich gesellschaftliche Verbesserung erreichen zu wollen?
Nennt man es nun Anspruch oder Haltung, letztlich geht es um Werte. Die Werte, die jedes Unternehmen antreibt, Werte, mit denen es Nutzen und Sinn stiftet, Werte, für die es steht.